Freitag, 7. Juni 2013

Mein Indien 1965 bis 1996 . . .

.
(für alle meine Google-Blogs: http://Mein-Abenteuer-mein-Leben75.blogspot.com )



Mein Indien - es ist wert, darüber eine Reihe von Berichten zu veröffentlichen. Was bedeutet Indien für mich und für das Mensch-Sein?


Als Größtes schrieb ich eine Liebesgeschichte: Ragi und Stefan  Der Stefan dieser Geschichte erinnert mich an mich, doch war ich mit 17 nicht im Entferntesten so wie der Stefan in dieser Geschichte, sondern habe erst Mitte 50 die Freiheit gehabt wie sie die beiden mit 17 hatten. In mancher Art ist die Geschichte ein Wunschtraum von mir, aber auch eine Zusammenfassung von meinen Erlebnissen in und an Indien und meinen Träumen.

Meine Reisen in Indien haben zu meinen Erfahrungen viel beigetragen, aber noch viel mehr die Berichte der Menschen und die Plätze selbst. Am wichtigsten waren Kerala (Cochin), Khajuraho und Pune/Poona.



Fast alles, was ich ab 1986 in Indien erfuhr, hatte mit Tantra zu tun. Ein wenig fühle ich mich als ein  Tantriker. Mein großer Tantra-Lehrer ist Osho in Pune. Seht auch mein Blog "Tantricus" und was daran hängt.

Über die mittelalterlichen Tantra-Tempel in Khajuraho findet ihr etwas, auch Fotos, hier: http://khajuraho-mein-tantra.blogspot.de/ .   Von hier aus geht es weiter auf einige Blogs mit meinen Erlebnissen im Mittelalter in den Tempeln. Da habe ich (Prakash genannt) Teile meiner Seele geheilt mithilfe von spirituellen Therapien, wie sie wahrscheinlich im damaligen Khajuraho angewendet wurden. Kurz - eine Fantasiereise. Im Hintergrund meiner Khajuraho-Reisen stehen Osho´s Anregungen.



Als ich später merkte, daß dem in meinen Blicken alt-akademischen, tantrisch-akademischen Prozessen und Lehren des antiken Khajuraho noch etwas entgegen gesetzt werden musste: ein kleines Tantra, das "Tantra" der kleinen Waldleute damaliger Zeit entwarf ich als Tantra der Roten Kiesel. Darüber weiß ich zwar nichts, aber ich darf mal fantasieren, ja? So findet ihr die Erzählung http://der-Rote-Kiesel.blogspot.com als eine Art Anti-Khajuraho.


Die Einführung zu der Geschichte über Ragi und Stefan steht im Ragi-Buch 1 unter http://RagiundStefanEins.blogspot.com . Auch das ist eine tantrische Geschichte mit vielen Berichten über das Indien wie ich es selbst erlebt habe.





Über Südindien - TamilNadu und Kerala:


http://artisan-fisheries-india.blogspot.com/
http://padmanabhapuram-das-schloss.blogspot.com/




... ebenfalls aus meinen indischen Wurzeln:

http://ragiundstefanfuenf.blogspot.de/




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Tamil Nadu 1986



Frances und Stefan, auch Gudrun





„Francis?“ - „Oh no boy, my dear: Frances! With an e. Francis would be a man´s name.“  „Wie Francis Day, der Fischereibiologe,“ sage ich. 


Morgen werden sich unsere Wege trennen, 1986. Vier Monate waren wir zusammen, in Nähe, Liebe, umrandet von Schmerzen, und umrandet von Sehnsüchten nach den Glanzzeiten unserer Ehen, die nun vergangen sind. Und umrandet von Kollegialität und kleinen Festen mit Freundinnen und Freunden in unserer Arbeitsstätte.


Frances streicht mir über die Wangen, „oh mein Lieber, wir werden so weit auseinander gehen, wie wird das werden? Können wir uns je wieder so nahe sein?“ Sie wird für einige Monate in die Antarktis reisen und forschen, ich für sechs Wochen ins Tamilen Land, um Vorlesungen zu halten. „Darf ich ein Foto von dir bekommen?“ „Oh nein,“ sagt sie, „nicht so was. Behalte mich in deinen Augen wie du mich immer erlebt hast.“ „Und wie ich dich immer geliebt habe und noch immer liebe.“


Einige tausend Kilometer voneinander – das in wenigen Stunden Flugzeit. Frances bis Feuerland, dann auf´s Schiff, ich nach Südindien. Sie in die eisige Polarkälte, ich in die Tropenhitze.
Vor einer Woche war meine Ehe geborsten. Hatte gewiß etwas - nur etwas meine ich heute - damit zu tun, daß Frances und ich uns so nahe gekommen waren. Zwar bin ich nicht geflohen, doch die lange geplante Abreise in die Ferne tat mir ein wenig gut. Und ließ die Schmerzen heiß werden und schließlich verklingen. Frances aber sagte, „du bist ein Familie-Mann,“ und ich glaube das stimmt immer noch.

Die Schmerzen sind groß, die Wirren. In Frankfurt hieß es, das Flugzeug hat einen Fehler, ein Fenster kaput, und der Ersatz muß erst aus den USA heran geflogen werden. Oh, hast Du schon mal zwölf Stunden in Unruhe und Schmerzen auf einem Flughafen gesessen?

Gelandet in Madras, und wo ist Frances? Ich schätze 15 Tausend Kilometer, ein Drittel um den Erdumkreis. Und keine Telefonverbindungen, keine Briefe können wir wechseln, kein Telegramm, Email  gab´s noch nicht, nichts außer unsere Liebe steht in der Luft, in der Seele. - Nach zwanzig Jahren wieder in Madras, das sie heute Chennai nennen. Lasse mich in ein kleines Hotel fahren. Morgens zum Bahnhof, „Sie haben einen Platz im Fernzug nach C. vorbestellt? Mein lieber Mann, da kommen täglich hunderte solcher Briefe! Doch gehen Sie mal da und da hin . . .“ Und so geht es, ich bekomme den Platz.

Im Zug allein im Abteil, ich suche die Stille in mir – Sehnsüchte nach den beiden geliebten Frauen in meiner Seele, so unterschiedliche Abschiede. Verwirrungen . . . Nachtfahrt durch Tamil Nadu, neben dem Gleis brennt alle 100 m ein Feuer und Leute sitzen daneben, was mag das bedeuten? Es ist vieles noch so fremdartig, wieder so fremdartig.


Um Mitternacht Ankunft auf dem Bahnhof von C., drei junge Männer erwarten mich und fahren mich ins Gästehaus des Instituts. Nochmal 30 Kilometer. Im Jeep, tropische Wärme, wie schön mal wieder nach so vielen Jahren Leben im Norden.


Dieses Städtchen in Südindien hat fast keine Telefonverbindung nach außen. Ich denke, niemand würde mich hier finden, so sehr anders ist es hier als in der Heimat. In der nahen Stadt singt der Muezzin, draußen tönen die Nachttiere, aus einer Hütte ein Radio mit südindischer Musik, tamilisch. Ich denke an die zwanzig Jahre zurück, als ich zum letzten Mal hier im Süden war – hat sich viel verändert? Jedenfalls nicht die Musik, noch dieselben Musikerinnen, die in Mode sind.
Nachts wache ich von einem lauten Schreien auf, weint da Gudrun? Ach nein, es war nur ein Fenster, das sich im Wind bewegte. – Fühlt sie sich allein gelassen oder ist sie erlöst, daß ich mal weg bin?

Doch Frances – lebt nun in der antarktischen Kälte.


Außerhalb des Städtchens, die einmal die portugiesischen Handelsherren Porto Novo nannten, doch bei den Tamilen heißt es Parangipettai. Da liegt das Meeres-Institut, nur wenige hundert Meter vom Strand, dort wo viele Jahre später mal die Tsunami-Welle die Menschen erschreckte. Hier baden Schulklassen aus Parangipettai, an einem Tag waren alle Menschen in großer Bestürzung: ein Junge hatte sich mit den Beinen in seinen Lungi (Wickelrock) verwickelt und konnte sich nicht mehr auf dem Grund halten und ertrank.


Irgendwo saß ein Saddhu am Weg, er winkte meine tamilischen Kollegen heran und meinte, er würde mich gerne kennen lernen. Doch es war alles so voller Erlebnisse in jenen Wochen, ich hatte keine Lust. Später tat mir das leid.
In jenen Wochen habe ich ein paar Gedichte geschrieben.

90
(am 14, März in Parangipettai)
„Familie-Mann“ –
bin ich das noch?
nach alledem,
was ich
verursacht?
Ist das nicht
eines Schwärmers
unsinniger
Traum?
weit entfernt
from reality?

Das Tropische, die Wärme der tamilischen Menschen taten meiner wehen Seele gut:

91
Sitting in the beauty
Of a tropical night,
tempel songs
in the distant,
cycades shrilling,
children playing
in the dark,
but without
hystery:
calm and
soft:
the air, the water,
the land and the people,
colourfully clad,
beauty in brown faces,
smiling and laughing,
politefully interested ...
–         am I still a „Familie-Mann”?


92
How can I
enjoy
all this
after I have done
all that insult
to my former
wife,
Gudrun?




93
Temple songs
not melodious
through technical
mis-treatment
of the sound.
Brahminical
pride
behind it;
but
beautiful creed
in the normal
Tamilian:
Prayers to God
Shiva,
to Him
who created,
supports,
and will destroy
everything:
world,
and life,
and mind
- except himself.


94
Southern Cross
rotating
around the
southern point
which is
starless;
dark sky
for twelve hours
and blue sky
for twelve hours:
tropical lands:
Vögel: sibirische
Wintergäste
und Flamingos
aus Cutch;
Krebse: winkende
Krabben,
prawns and
hermit crabs
in the Vellar
waters
and muds;
Spinnen, Schlangen,
Schmetterlinge, Ziegen,
Eisvogel mit silbernem
Fischchen
Im Schnabel;


Grüne Miesmuschel,
und Schnecken,
die sich durch
den Schlamm
wühlen;

- und immer
die Erinnerung
an den Schmerz,
angetan den
Lieben
In der Heimat.


95
(16. März, Parangipettai)
Brown huts
thatched with
brown palm leave mats,
inside dark,
brown dust around,
tiny goats nibbling dry leaves,
brown and white dogs
- slim like sticks -,
brown trees, dry in the
bright burning sun, and
brown women, men and children,
clad in white and colourful
clothes: saris, frocks and lungis.
Coloured birds, butterflies and flowers
this is the workman´s
abode in
Tamilian villages
-  like all over India.


96
Love?
how can I think
of love
after those days
of utter despair?


98
Thorny shrubs, with
tenderly light green leaves –
but when
the twigs die,
the thorns get hard
and prick your feet
when you run about
bare-footed
- like my soul
was pricked
after I ran about
bare-souled


99
(17. März)
Weiche Nacht
Grillen, heulende Hunde,
Nachtigallen-Sang,
schwatzende Leute
in der Finsternis
- leichte Brise
vom Meer,
angenehme Kühle

. . .
doch Schmerz
und Sorgen
sind nicht vergessen,
nicht verdrängt,
voll gegenwärtig.


101
Stille, Ruhe,
nur Grillen zirpen,
mal ein Hundeschrei,
ein Fahrrad,
ein Vogel
-          stille Tropennacht,
-          aber ich bin
im Innern unruhig:
noch immer Sorgen,
was wohl
zu Hause
sein wird.


103
(21. März)
Nagore –
große weiße Moschee
Wallfahrtsort,
weiße breite
behäbige Minarets,
alles hoch
überragend
Händler,
Beter,
Kranke,
Bettler,
Reiche,
Arme,
Männer, Frauen, Kinder,
alle in Weiß oder Bunt
Gänge im Dunkeln weiß gestrichen,
die heiligen Schreine gepflegt, blank,
mit bunten Gläsern
und Tausenden kleiner Spiegel
Räucherdüfte;
den Pilgerstrom regelnde Männer;
weiße Kappen, fein geknüpft,
auf braunen Köpfen

-  ein heiliger Ort,
um seelische Schmerzen
zu vergessen,
zu heilen,
die alles Leben in mir
durchdringen.


104
(22. März)
Vedaranniyam
Tempelbesuch,
Hindu-Gottheiten
sind Aspekte
der Welt;
des Lebens
-  alle sind
GOTT,
sind KRISHNA
Vedaranniyam
-  Puja,
Räucherdüfte,
Öllampen
vor den Bildern
Gottes
und seiner
Aspekte:
Anbetung,
Gabe des Brahmanen:
Pulver für Tilak:
Prasadam.
Ein wenig gesunder
verlassen wir den
Tempel von
Vedarannyam.


Ein tamilischer Kollege fuhr mit mir zur Stadt Thiruvannamalai. Dort ist der Ashram eines indischen weisen Mannes, Sri Ramana Maharishi:

113
(28. März)
Sri Ramana Maharishi,
heute bin ich bei dir
gewesen,
habe lange vor deinem
Sofa mit deinem Bild
- geschmückt mit
frischen Blumen –
gesessen,
habe dich gebeten,
mir Guru, ein Lehrmeister
zu sein
auf meinem Wege
zu Gott,
zu Gott Krishna.
Was hättest du gesagt?
„frage dich erst:
wer hat gebeten,
und um wessen
Weg handelt es sich“
Sri Ramana Maharishi,
ich habe ein
schönes und
gutes Bild
von dir mitgenommen,
und ein Buch
mit deinen Fragen
und
Lehren.


115
(31. März)
Parangipettai –
Der letzte Abend,
Muddai-Parotta,
ganz klarer
Sternhimmel
ohne Mond,
Stromausfall
bis nach zehn.

Junge Leute bringen Geschenke
es ist fast traurig,
hier weg zu gehen:
diese Ruhe und Gelassenheit,
Menschlichkeit,
Nähe, Religion,
Kultur,
Versinken in´s Tamilische –

Wie lebe ich
das weiter?

Rundreise in Überlandbussen durch den Süden Indiens. Vorträge über Plankton und Meeresschutz. Alte Freunde wieder getroffen.

116
(in Tuticorin, Fisheries College, 3. April 1956))
Magische Schriften
in meiner Hand.
Die Gedichte und
Briefe im Gepäck.
Sorgende Gedanken
im Kopf –
Nur sehr langsam
kommt Ruhe.
Doch auch sie
ist noch nicht
fest gegründet.
Magische Schriften
Und magische Orte
in diesem fremden,
seltsamen, ganz
anderen
Land: Tamil Nadu.


117
(in Tuticorin)
Mittagsruhe:
herein kommt ein alter Mann,
schmutziges Hemd,
graulich bunter Lungi,
bringt tiffinsupper.

Andere Welt,
unsere Blicke
gehen aneinander
vorbei,
keine Möglichkeit
des Treffens
der Blicke –
andere Menschen-Art.
Später tauschten
wir
ein Lächeln.


Heimreise: Trivandrum, Cochin, Delhi, Blick auf den Hindukush und seine tiefen Trockentäler und in den ausgetrockneten Aral-See, Spannung auf das Wiedersehen . . . 16. April 1986, meine zweite Indienreise zu Ende

127
(wieder zuhause, 1. Mai)
Den ganzen Tag ist
mein Telefon auf Empfang
Eingestellt
-  doch du rufst nicht an.
Den ganzen Tag ist
meine Seele auf Empfang
eingestellt
-  doch du rufst nicht an.



128
Türen, Fenster
und mein Herz
sind geöffnet
-  doch noch bist
du nicht hereingekommen.
Vielleicht bist du
noch tausende
von Kilometern
weit entfernt:
Vielleicht aber
biegst du gerade
um die
nächste Ecke?


129
Mein Haus ist
geschmückt
für deinen Empfang.
Der Wein ist
fertig
für deinen Empfang
Mein Herz
und meine Seele
sind bereit
für deinen Empfang
Wo bleibst du nur?


130
Es wird Nacht, und
ich schließe nun
alle Türen und Fenster
- nur mein Herz
steht weit offen -;
hoffentlich hast du
an guter Stelle
einen Platz
für die
Nacht
bekommen,


131
(4. Mai)
Sunday afternoon,
still waiting –
my house and my
garden are
decorated
with flowers,
and my soul
is decorated
with love feelings
But still
no message
from you ...


132
Am 28. April,
im “Schampus”  –
noch bist du
Tausende von
Kilometern
weit weg.
Wir haben uns
Monate
-  So scheint es  –
nicht gesprochen,
nicht gesehen,
nicht berührt.
Wie wird es sein,
das Wieder-Treffen?
Nachdem so viele
Tränen geflossen sind;
-  nachdem du das
blaue Wasser
lange Wochen …,
und ich den roten Staub
der Tropen
lange Wochen . . .,
. . . eingesogen haben –
-  Schmerzen und Stille;
Freude und Anbetung
des Unbedingten,
des Höchsten,
der Unendlichkeit
des Meeres
und des Himmels . . .
wir zwei kleine
Menschen,
Weib und Mann,
kleine Punkte
in der ewigen Schönheit
der göttlichen
Ewigkeit

Schließlich kommt auch Frances zurück – doch nach einigen Wochen blieb etwas fremd zwischen uns. Die Reiseerlebnisse haben uns umgeformt. Doch am 24. und am 27. Mai noch dies:

139
Näher kommen,
gemeinsam fühlen;
Hände,
Füße,
Nacken,
Körper fühlen;

touch and embrace:
Esteban, Frances and Stefan,
caught in
emotional
unity.

never forgettable
this tender
unification
Saturday night.

feelings are
spreading,
propagated
through
freedom
in saying
unsayable
things,
and looking in
unlookable
manners.


140
„Allein nur wie das
Nashorn mag
man wandern“
Deine Seele
hat viele Sphären:
ganz innen bist
du,
das göttliche Selbst.
Allein
wandert
dein Selbst
durch´s
Diesseits und Jenseits,
von Leben
zu Leben –
nur verbunden
mit dem Vor-
und dem Nach-
leben,
und mit Gott.
Weiter außen ist
die Sphäre
von Gefühl,
Freude und
Genuß
und gegenseitiger
Anziehung,
Ruhe und
Gelassenheit,
weil nahe
am Selbst.
Dann
die Sphäre
von Schmerz,
Zorn und
Abwehr,
die festklebt an
der Sphäre
von sogenannten
sozialen
Bindungen:
Familie,
Beruf,
Verkehr,
Liebe . . .
Doch nur
dein Selbst,
ganz innen,
das bist du,
rein und göttlich,
das musst du finden,
um fest zu ruhen
in dir selbst –
in deinem Selbst –
und einsam
wie das Nashorn
magst du
wandern –
gar nicht berührt
von den
äußeren  Sphären
dieses
einen
Lebens.

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